«Weg vom Problem, hin zum Ziel»

Ebikon, 27. Mai 2016 – KinesiologInnen sind eigentlich nur Leute, die Fragen stellen, sagt Kinesiologie-Dozent Georg Weitzsch im Interview. Dieses Fragen stellt die KlientIn konsequent in den Mittelpunkt der Therapie.

Sie unterrichten nicht nur an ihrer eigenen Schule in Lindau, sondern auch als Kooperationspartner an der Heilpraktikerschule Luzern, seit 2008: Dr. phil. Karin Friedrich und Georg Weitzsch. Photo: ZVG

Georg, im Zentrum der Kinesiologie steht der Muskeltest – jetzt lachst du, warum?

Ja, das wird zwar häufig so gesagt, aber dem ist mitnichten so. Im Zentrum steht die Triade der Gesundheit.

Und was ist diese Triade, diese Dreizahl?

Damit bezeichnen wir Kinesiologen die Einheit der drei Bereiche Bewegungssystem, Geist und Lebensvorgänge in den Zellen. Machen wir einen Therapieschritt in einem dieser Bereiche, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die beiden anderen. Zusammenhänge erkennen wir vor allem über das Chi der Meridiane und über die Wandlungsphasen der TCM. Da können uns dann Muskeltests helfen.

Da sind sie also, die Muskeltests.

Ja, eine Gruppe von Osteopathen und Chiropraktikern in den USA haben in den 60ern die Bezüge zwischen einzelnen Meridianen und Muskeln ermittelt. Das war und ist einzigartig! Seither sind wir in der Lage, mit vielen verschiedenen Muskeltests beispielsweise die geeigneten Ansatzpunkte für nächste Therapieschritte zu erkennen. Und das ist eigentlich das Wesentliche der Kinesiologie, nämlich diese Orientierung: «weg vom Problem, hin zum Ziel». Ausserdem steht die KlientIn durch dieses Vorgehen automatisch im Mittelpunkt. Die KinesiologInnen sind eigentlich nur Leute, die Fragen stellen. Lösungen kommen immer von der KlientIn selbst.

Kannst du das an einem Beispiel erklären?

Das ist eher schwierig, da eine kinesiologische Behandlung zwar ein sehr einleuchtender, aber auch ein sehr komplexer Vorgang ist – und ein einzelnes Testergebnis ist, für sich genommen, nicht besonders aussagekräftig. Aber die KlientIn erlebt zum Beispiel, wie ein Muskel sofort auf die Berührung eines Akupressurpunktes positiv reagiert. Die Lösung lauert überall, hat mal ein befreundeter Kinesiologe gesagt.

Und dass die Lösung von den KlientInnen selbst kommen: Heisst das, der Körper weiss Antworten, die der Geist nicht kennt? – jetzt lachst du schon wieder?

Ja, ich vermute, du denkst da an das über ein Jahrhundert alte Konzept des Unbewussten, das nach eigenen logischen Regeln ein Eigenleben in uns führt. Dieses Konzept hat sich inzwischen überlebt, das ist «old style». Und diese Erkenntnis setzt sich nun langsam im Wissenschaftsbetrieb durch.

Das Konzept des Unbewussten braucht es nicht mehr?

Sagen wir mal so, es nützt uns nicht viel. Alle jüngeren Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass das Unbewusste lediglich das momentan Unbewusste ist. In einer klug aufgebauten Studie* von Markus Kiefer und seinen Mitarbeitern wurde zum Beispiel der Nachweis erbracht, dass wir mit unserem Bewusstsein die unbewussten Prozesse im Gehirn gut steuern können. Beides ist doch miteinander verbunden und arbeitet Hand in Hand. Das ist unsere Sichtweise in der Kinesiologie.

Und über Muskeltests kann man über das Bewusstsein das Unbewusste erreichen?

Noch einmal, diese Unterteilung führt uns nicht weiter. Unser Geist hat die wunderbare Fähigkeit, zu jeder Situation das Passende zu liefern, egal ob ich vorher oder gestern oder vor einem Jahr daran gedacht habe oder nicht. Und wichtig: Das Gehirn arbeitet immer nach dem Prinzip: „Tu dein Bestes“!

In welchen Gebieten ist die Kinesiologie besonders erfolgreich?

Bei allem, was man mit der KomplementärTherapie bearbeiten kann. Wie diese Berufsbezeichnung schon sagt: Zu einem sind wir therapeutisch tätig, da gibt es wenige Einschränkungen und zum anderen arbeiten wir komplementär, also ergänzend. Wir verstehen uns also als Teil des grossen ganzen Gesundheitswesens. 

Was ist das Besondere an der Kinesiologie-Ausbildung an der Heilpraktikerschule Luzern?

Ich persönlich finde, die konsequente Ausrichtung auf die komplementärtherapeutische Kinesiologie. Wir haben ausgiebig daran gearbeitet, sie im Rahmen des Berufsverbandes KineSuisse und der OdA KT mitzuentwickeln und zu prägen. Ich bin wirklich froh, dass es nun nicht mehr so wichtig ist, ob es diese oder jene XY-Kinesiologie-Richtung ist, sondern alles eine Einheit ist, sozusagen aus einem Guss. Wir haben hier an der Heilpraktikerschule Luzern und bei uns in Lindau damit eine langjährige Erfahrung. Wir waren immer schon davon überzeugt, dass das Verbindende das Wichtigste für die KlientInnen ist. Mit der KT sind wir nun auf einem neuen Level der Integration angekommen. Ich hoffe, dass das in Zukunft von vielen TherapeutInnen auch so gesehen und umgesetzt wird.

Ursprünglich bist du Orgelbauer. Seit über zwanzig Jahren bist du aber voll in der Kinesiologie, du behandelst und unterrichtest. Was ist das Faszinierende an der Kinesiologie?

Ja, es gab sehr ausgefüllte und aufregende Phasen in meinem Leben. Jede einzelne habe ich bisher zu einem ausgesprochen befriedigenden Übergang führen können, und ich hoffe, das mit der Kinesiologie auch zu schaffen. Im Moment scheint es mir, als würde es gelingen, nämlich die Kinesiologie im übergeordneten Beruf KomplementärTherapie aufgehen zu lassen. Und dann haben wir alle auf einmal ganz viele neue Wege, die beschritten werden wollen.

Danke für das Gespräch, Georg, und auch das fröhliche Lachen.

 

Georg Weitzsch und seine Ehe- und Geschäftspartnerin Dr. phil. Karin Friedrich arbeiten seit über dreissig Jahren mit Kinesiologie. In Deutschland führen sie ihre «Akademie für KomplementärTherapie» auf der Bodensee-Insel Lindau. Als Kooperationspartner der Heilpraktikerschule Luzern unterrichten die beiden seit 2008 in Luzern. Georg hat auf Verbandsebene im Berufsbildungsprozess der OdA KT das Berufsbild KomplementärTherapie sowie die Höhere Fachprüfung, die zum eidg. Diplom führt, mitgeprägt.

* Martin Ulrich, Sarah C. Adams, Markus Kiefer: Flexible establishment of functional brain networks supports attentional modulation of unconscious cognition. In: Human Brain Mapping 2014 Nov; 35(11):5500-16. doi: 10.1002/hbm.22566. Epub. 2014 Jun 23.

 

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Einstieg in die Kinesiologie

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