«Sich immer wieder von Neuem kreativ auf die PatientInnen einstellen»

Ebikon, 22. Juni 2016 – Dr. med. Robert Trnoska hat TCM in China und Taiwan studiert, aber er behandelt mit der westlichen Variante, der Phytotherapie West-TCM. Und Akupunktur? Die macht er nach einfachen Regeln: Balance-Akupunktur. Warum und wie, das sagt Robert im Interview.

Zeigt, wie sich neue Formen der Nadelung spielerisch entwickeln lassen und wie sich schulmedizinische Medikamente und Phytotherapeutika der West-TCM ergänzen: Dr. med. Robert Trnoska.

Robert, du hast TCM ja sogar in China und Taiwan studiert. Warum behandelst du dann nicht mit der Chinesischen Arzneitherapie, sondern mit der Phytotherapie West-TCM?

Meine Herangehensweise an die Phyto West-TCM ist sehr von der klassischen chinesischen Sichtweise geprägt. Ich richte die Kräuterverschreibung nach chinesischen Prinzipien aus wie Fülle/Leere, Hitze/Kälte, Feuchtigkeit/Trockenheit usw. Hier können wir noch grosse Schätze heben aus der Phytotherapie der TCM – was jedoch nicht bedeutet, dass wir unbedingt chinesische Kräuter dafür importieren müssen. Wir sind in Europa mitten in einer grossen Pflanzen-Apotheke, man muss nur einmal spazieren gehen, und auf diese Apotheke greife ich gerne zurück. Nebenbei: Diese unsere Pflanzen-Apotheke weiter nach den Prinzipien der TCM zu erforschen, finde ich auch persönlich absolut spannend!

Spannend ist auch deine Akupunktur: Deine Kurse heissen «Balance-Akupunktur 1: Tanz der Meridiane» und «Balance-Akupunktur 2: Reigen der Meridiane». Warum nicht «Punktkombination» oder ähnlich?

Es handelt sich eben nicht um eine starre Kochrezept-Akupunktur zum Auswendiglernen. Ich bringe mit diesen Titeln den flexiblen Zugang in der Akupunktur zum Ausdruck. Dieses Anliegen ist übrigens klassisch verwurzelt. Es geht darum, sich immer wieder von Neuem kreativ auf die PatientInnen einzustellen. Dabei möchte ich vor allem die Prinzipien dieser Akupunkturrichtung weitergeben, mit denen sich so spielerisch wie in einem Tanz immer neue Formen der Nadelung an das Beschwerdebild einer PatientIn anpassen lassen. Der „Tanz“ und der „Reigen“ zeigen, dass es für das Thema einer PatientIn immer unterschiedliche Behandlungswege gibt – unter denen man je nach Konstitution und Eigenart des pathogenen Faktors einen individuellen Behandlungsweg finden kann.

Einer deiner Lehrer, Dr. Richard Tan, ist Ende 2015 verschieden. Dr. Tan steht ja wie kein zweiter für die Balance Acupuncture. Wie geht es nach seinem Tod damit weiter?

Sein grossartiges Werk wird von seinen Schülern auf der ganzen Welt weitergeführt werden. So, wie Dr. Tan die Balance Acupuncture aus Systemen von Master Tung oder die I Ching Acupuncture von Dr. Chen weiterentwickelt hat, wird auch seine eigene Herangehensweise weiterwachsen über die vielen Fackeln, die sein Licht weitertragen.

Wie wichtig war Dr. Tan für dich und die Art, wie du die TCM anwendest?

Dr. Tan hat meine Form der Akupunktur grundlegend geprägt. Indem ich viele Jahre direkt von ihm lernen durfte, habe ich über die Akupunktur hinaus meine Sichtweise der TCM sehr bereichern können. Zu verdanken habe ich ihm neben einer hoch perfektionierten Akupunkturform auch den Zugang zum Yi Jing, also dem I Ging. Er hat mir einen Weg zu den Wurzeln der klassischen chinesischen Medizin gezeigt.

Und aus diesen Wurzeln wächst die Balance Acupuncture weiter?

Ja, auch Dr. Tan selbst hat sie immer aufs Neue kreativ weiterentwickelt. Dadurch wuchs das System aus den Wurzeln von Master Tung und Dr. Chen. Ich schätze ihn sehr dafür, zu welcher Blüte er dieses System gebracht hat! Die Regeln der Balance-Akupunktur lassen sich auf die vielfältigsten Anwendungsgebiete anpassen – es ist mir eine Freude, wenn ich dazu etwas beitragen kann.

Dein Tanz der Meridiane und dein Reigen der Meridiane sind solche Beiträge?

Ja, aber auch die unterschiedlichen AkupunkteurInnen werden die Balance-Akupunktur weiter reifen lassen – allein durch ihre eigene Unterschiedlichkeit. Dazu kommt noch die Unterschiedlichkeit in den Herausforderungen, auf die sie durch ihre PatientInnen treffen. Neues wird also dazukommen, Bestehendes wird besser verstanden werden. Ganz in der Form, wie ich im „Reigen der Meridiane“ die Gesamtheit bzw. den Überblick über das System als Ganzes, das hinter Dr. Tans „Global Balance“ steht, aufzeigen kann. Diese Erkenntnis war für mich ein weiterer wichtiger Schritt weg von einer Kochrezept-Akupunktur hin zu einer hochindividualisierten Therapieform.

Was ist «Global Balance»?

Das ist eine Spezialform der Balance-Akupunktur, wir gehen über die Punkte hinaus und kombinieren mehrere Leitbahnen miteinander, um zum Beispiel internistische Krankheitsbilder zu behandeln. Pointiert formuliert, könnte man sagen: aus dem Tanz der Punkte wird ein Reigen der Leitbahnen.

Hast du die eine oder andere Stelle zu Balance Acupuncture aus dem Gelben Kaiser oder dem I Ging?

Die Klassiker der chinesischen Medizin sind wichtige Inspirationsquellen. Beispielsweise steht die Symbolik von Hexagramm 32, „Die Dauer“, mit der Leitbahn-Kombination „Jue Yin-Shao Yang“ in Verbindung. Führt man die logische Assoziationsweise von Dr. Tan weiter, erschliesst sich das auf genauso einfache wie eindeutige Weise. Bei allen Neuentwicklungen stellen sie für mich auch immer wieder einen Prüfstein dar, wie sehr wir uns im Rahmen der TCM bewegen. Dr. Tan hatte in seiner Lehre aufgezeigt, dass das Yi Jing kein reines Orakelbuch ist, sondern uns in der TCM vielmehr die Grundlagen unserer Behandlungsweise erklären kann. Das ist sehr anregend, und ich entdeckte über die Jahre, wie wir über die archetypischen Bilder der Hexagramme sogar Charakterisierungen für Akupunkturmuster der „Global Balance“ finden können. Genau das gebe ich im „Reigen der Meridiane“ weiter.

Aus welchem Grund hast du eigentlich nach deinem Medizinstudium noch TCM studiert?

Mit der chinesischen Medizin habe ich mich schon parallel zu meinem Medizinstudium beschäftigt. Eine ganzheitliche Herangehensweise zum Menschsein und zur Gesundheit war mir schon immer ein Anliegen. In der TCM habe ich ein hochentwickeltes Heilungssystem gefunden, in dem ich eine schöne Ergänzung zur westlichen Allopathie sehe.

Danke, Robert, für das Gespräch.

 

Dr. med. Robert Trnoska hat Medizin studiert und in Graz promoviert. Parallel dazu hat er sich in TCM ausgebildet, er hat sogar die verschiedenen Formen asiatischer Akupunktur studiert, unter anderem in China und Taiwan. Dabei hat er sich eindringlich mit dem Nei Jing Su Wen und dem Yi Jing auseinandergesetzt. Diese Lektüre – und der Austausch mit Lehrern wie Dr. Wei-Chieh Young, Dr. Richard Tan, Robert Doane, Dr. David Twicken und Prof. Ross – haben es ihm ermöglicht, sich tief in die Balance-Akupunktur einzuarbeiten. Mit Blick auf die therapeutische Praxis hat Robert Trnoska seine Erkenntnisse als Weiterbildung für AkupunkteurInnen aufgearbeitet, siehe TCM-Weiterbildung mit Dr. med. Robert Trnoska.

Roberts zweiter Schwerpunkt ist die Phyto West-TCM. Dabei fasziniert ihn besonders die Frage: Wie lassen sich die Wirkungen schulmedizinischer Medikamente steigern – und gleichzeitig ihre Nebenwirkungen ausbalancieren? Antworten liefert ihm auch hier die TCM, angewandt auf unsere europäischen Kräuter. Seine Praxis für Allgemeinmedizin führt er in Tobelbad bei Graz. Er unterrichtet regelmässig Weiterbildungen an der Heilpraktikerschule Luzern.

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