Das Leben in die Hand nehmen

Ebikon, 11. November 2016 Ina Hullmann hat soeben ein neues Buch veröffentlicht. Darin zeigt sie: Jede und jeder kann die Kräfte des persönlichen inneren Superhelden freisetzen. Da wollten wir mehr wissen. Ina im Interview.

Loslegen und freier, selbstbestimmter und glücklicher leben – statt grübelnd auf dem Hamsterrad versauern: Ina Hullmann.

Ina, hast du keine Lust mehr, als Coach zu arbeiten?

Wie kommst du darauf?

Der Titel deines neuen Buches: «Coach dich doch selber!»

Ha! Gute Frage, aber: Nein! Ich habe einfach im Laufe der letzten Jahre festgestellt, dass Klienten eine ganze Menge selber tun können, um sich zu stabilisieren, übrigens auch dazu, sich optimal auf eine Sitzung beim Coach oder Psychotherapeuten vorzubereiten.

Eine Art Selbsthilfe.

Ja, und dazu vermittelt das Buch wichtiges Grundlagenwissen, und zwar darüber, wie unser Denken funktioniert und wie wir unser Unterbewusstsein lenken können. Das kann einem in Krisensituationen wirklich den Kopf retten und helfen, mental wieder Regie im eigenen Hirn zu führen. Trotz „Coach dich doch selber!“ bleibe ich aber beruflich weiterhin dem Coaching und der Coach-Ausbildung an der Heilpraktikerschule Luzern treu.

Puuh, da haben wir ja Glück gehabt! Aber sag kurz: Was sollte mir nach der Lektüre dieses Buches klar sein?

Wie Denken funktioniert, warum wir uns manchmal in so typische Grübel-Hamsterräder verstricken und vor allem wie man da wieder herauskommt. Ziel des Buches ist, dem Leser neue Techniken zu vermitteln, wieder Kontrolle über seine Gedanken, Gefühle und über sein Leben zu bekommen.

«Kontrolle über Gedanken, Gefühle, das Leben», sagst du. Woher kommt dieses Streben nach Kontrolle? Ist das nicht etwas Zwanghaftes, ein Ausdruck von Angst?

Mit Kontrolle ist hier vor allem Steuern gemeint – die Fähigkeit sich selbst zu steuern und selbstwirksam zu handeln. Die meisten Menschen überlassen vieles im Leben dem vermeintlichen Zufall und wissen gar nicht genau, wo sie selber im Leben hinsteuern wollen. Es ist dringend notwendig, sich zu fragen: Wo möchte ich hin, was ist mein Potenzial und wie kann ich lernen, mich selbstwirksam zu steuern? Dafür müssen wir vor allem unser Unterbewusstsein ins Boot holen, es ist wirklich eine geniale Hilfe. Es gibt Techniken, wie wir unser Unterbewusstsein auf unsere Wünsche und Ziele ausrichten können. Das ist kein Hokuspokus, diese Techniken sind hochwirksam und wissenschaftlich fundiert.

Du hast oben gesagt, man überlasse vieles einem «vermeintlichen Zufall».  Warum «vermeintlich»?

Manchmal kann man Zufälle so sehen, als ob sie keine wären. Dass ich mir beim Joggen den Fuss verletzt hatte, war ein dummer Zufall. Ich habe ihn aber als vermeintlichern Zufall betrachtet: So habe ich alle Termine absagen müssen, was mir die Zeit gab, das Buch fertig zu schreiben.

Auf der Titelseite ist eine Frau abgebildet in einer Art Superman-Kostüm. Inwiefern ist das ein Frauenbuch?

Weibliche Superhelden sind ja gross im Kommen und der Verlag fand eine Superfrau als Symbol für mentale Kraft passender als einen muskelbepackten Superman, und das finde ich ja auch. 

Dennoch: Frauen sind schon affiner für solche Sachen? Oder ist das ein Vorurteil?

Ich will keinesfalls irgendwelche Klischees bedienen, aber Frauen sind vielleicht tendentiell etwas aufgeschlossener für Selbstreflektion und Persönlichkeitsentwicklung – die Männer holen aber gut auf. In meiner Praxis habe ich prozentual etwa 60% Frauen und 40 % Männer. Aber der Männeranteil wird allmählich grösser. Das Interesse steigt oder die Einsicht, dass Persönlichkeitsentwicklung in der heutigen Zeit eminent wichtig ist. 

«Mentale Superkräfte», was heisst das? Geht es um Selbstoptimierung oder steckt doch etwas mehr als blosses Effizienzdenken dahinter?

Da steckt schon mehr dahinter. Mit den «Superkräften» sind unsere brachliegenden mentalen Fähigkeiten gemeint, mit denen wir so vieles in unserem Leben positiv beeinflussen könnten. Dabei geht es eben nicht zuallererst um Leistungsfähigkeit und Erfolg, das alles stellt sich dann fast automatisch ein. Zuallererst geht es darum, authentischer und «echter» zu werden, sich also kennenzulernen, auf sich zu hören. Bei diesem Prozess geht es auch darum, seine ganz persönlichen Ecken und Kanten lieben zu lernen. Die meisten denken ja, man müsste diese Ecken und Kanten abschleifen, das Gegenteil ist der Fall. Jeder Mensch kann seine «mentalen Superkräfte» entfalten, es braucht am Anfang nur regelmässiges Training. Diese Superkräfte entsprechen der Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit zu bündeln und auf ein stimmiges Ziel zum Wohle des Ganzen auszurichten. So werden wir freier, selbstbestimmter, wirksamer, glücklicher und gesünder.

Was genau haben diese Superkräfte mit Ecken und Kanten, also mit Authentizität zu tun?

Die grösste Kraft findest du in dir selbst, wenn du so sein kannst, wie du bist. Wenn wir uns verbiegen, dann verlieren wir unsere Kraft. Deswegen ist es so wichtig herauszufinden, wer man wirklich ist und vor allem wer man wirklich von Herzen sein möchte – die Suche nach dem Potenzial in uns. Schon Goethe sagte...

Goethe, echt?

Ja, Goethe. Hör zu: „Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir im Stillen schon besitzen.“

Starke Worte.

Ja, und tatsächlich gibt es dieses Potenzial, und wir können es in uns auch aktivieren, Schritt für Schritt. Das sollten wir auch tun, denn manchmal macht sich ein ungelebtes Potenzial sogar als Symptom oder Störung bemerkbar. Dann müssen wir uns mit diesen vermeintlichen Schwächen, Ecken und Kanten auseinandersetzen, konstruktiv, um die positive Absicht, das Potenzial dahinter zu erkennen. Und natürlich müssen wir auf unserem Weg auch die eine oder andere Blockade lösen.

Du hast für die Heilpraktikerschule Luzern die Coaching-Ausbildung «Coaching in der Therapie» konzipiert, unterrichtest sie auch, zusammen mit Monika Lanz. Was hat «Coach dich doch selber!» mit dieser Ausbildung zu tun? Spart mir die Ausbildung das Lesen? Oder spart mir das Lesen die Ausbildung?

Weder noch – das Buch ergänzt die Ausbildung mit wissenschaftlichen Grundlagen, mit Techniken der modernen Hypnotherapie und mit einigen Übungen, die dazu da sind, dass man ganz allein zu wesentlichen Einsichten gelangt. Diese Übungen sind sehr wichtig, sie schaffen Klarheit und wirken positiv auf das Unterbewusstsein. Das Buch ist auch eine Einladung an alle, die sich zum Coach berufen fühlen und die Ausbildung absolvieren möchten. Sie können sich zunächst einmal selber coachen und die Techniken und den gesamten Prozess am eigenen Leibe erfahren. Für unsere Ausbildungsreihe «Coaching in der Therapie» ist es die beste Vorbereitung überhaupt.

Was bei deinen Büchern auffällt: Viele Untertitel haben mit Leichtigkeit zu tun: «Mit Leichtigkeit Coaching lernen», «Mit Leichtigkeit mentale Superkräfte entfalten». Warum ist Leichtigkeit so wichtig?

Leichtigkeit ist eine Lebenseinstellung, die unsere Sichtweise wesentlich erweitern kann. Sie hilft, aus unserem berüchtigten «mentalen Goldfischglas» auszubrechen. Leichtigkeit, auch Humor, kann regelrecht beflügeln, lässt uns Lösungen auf ganz neuen Ebenen entdecken.

Das hört sich entspannt an. Vor allem, weil sich «Coaching» und «Therapie» ja eher, mit Verlaub, etwas anstrengend anhören.

Ja, das ist so. Es gibt ja immer noch das alte Image von Kopflastigkeit und Schwere, das der Psychologie und vielen therapeutischen Ansätzen anhängt. Das möchte ich ändern. Psychologie und Coaching sind spannend, machen Spass. Leichtigkeit hilft dabei, es darf herzlich gelacht werden. So erreicht man viel bessere Ergebnisse, als wenn man mit verkopfter Schwere ans Coaching heranginge.

Zwar machen wir hier ja ein Interview, kein Coaching. Dennoch, wenn du erlaubst, eine ganz praktische Frage: Angenommen, ich habe eine Aufgabe, die sehr schwer zu lösen ist, mir auch sehr schwer fällt. Wie hilft mir da Leichtigkeit?

Sehr gut, dass wir noch auf ein konkretes Beispiel kommen: Nehmen wir mal an, es fällt dir total schwer, mit einem Kind die Hausaufgaben zu machen – ein weit verbreitetes Problem für Eltern und Kinder. Es war die letzten Male immer schwierig und du hast mittlerweile eine regelrechte Abneigung gegen Hausaufgaben entwickelt. Tasächlich überträgt sich diese Sichtweise, die Schwere, auch auf das Kind. Dabei ist diese Wahrnehmung nur eine Gewohnheit, ein mentales Goldfischglas, in dem ihr beide festsitzt.

Also raus aus diesem Goldfischglas!

Ja, und so heisst es jetzt, das eingefahrene Muster „Hausaufgaben sind schwer und öde“ aufzuweichen und die Goldfischglasperspektive zu erweitern. Und da hilft eben spielerische Leichtigkeit: Vielleicht mit Witz und Humor an die Sache heranzugehen, einen kleinen Wettbewerb daraus zu machen oder eine lustige Rolle zu spielen. Plötzlich entsteht Weite im Denken, neue Ideen fallen einem zu. Die Stimmung verändert sich automatisch – aus dieser festen Starre heraus und in die Leichtigkeit hinein. So entsteht eine ganz neue Lern-Erfahrung für beide.

Noch etwas ganz anders: Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn eine Koryphäe wie Gunther Schmidt, Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg, ein Geleitwort zu deinem Buch schreibt?

Wunderbar! Natürlich bin ich total happy, dass Gunther so ein schönes Geleitwort geschrieben hat. Gunther Schmidt ist ja einer der wichtigsten Pioniere des modernen hypnosystemischen Ansatzes und schon deshalb habe ich ihm den Ehren-Platz auf den ersten Seiten meines Buches reserviert. Ich freue mich riesig darüber, dass er das Geleitwort geschrieben hat. Und natürlich auch darüber, was er da über mein Buch sagt.

Sind nach «Coach Dich doch selber!» weitere Bücher und Veröffentlichungen geplant oder war’s das erst einmal?

Es gibt ja noch die Übungs-CD „Mentale Stärke“, die den Leser unterstützt, das Erlernte im Alltag umzusetzen. Ausserdem habe ich noch sieben neue geführte Meditationen veröffentlicht, zu wichtigen Themen wie „Schmerzen lindern“, „Innere Ruhe“ oder „Einfach gut schlafen“. Nächstes Jahr wird dann die zweite Auflage von „How to coach“ herauskommen, ich überarbeite sie vollständig und ergänze sie auch um wichtige neue Interventionstechniken und Übungen. Der hypnosystemische Coachingansatz entwickelt sich in einem rasanten Tempo weiter, wir passen natürlich auch unsere Ausbildungsinhalte kontinuierlich dieser Entwicklung an.

Danke, Ina, für das Gespräch.

Die Diplom-Psychologin Ina Hullmann ist Psychologin FSP (Föderation Schweizer Psychologen), Hypnotherapeutin GHYPS (Gesellschaft für Hypnose Schweiz) und Autorin. Ihre Praxis für Coaching führt sie in Luzern. Ebenfalls arbeitet sie als Dozentin für Psychologie & Coaching und ist Expertin im TV (VOX, RTL). Ihre Veröffentlichungen erscheinen im Schattauer-Verlag Stuttgart: „How to coach – Mit Leichtigkeit Coaching lernen“ (2012), „Kinderleicht schlafen“ (2013), „Das Geheimnis des Lernens“ (2014), „Coach Dich doch selber!“ und „Mentale Stärke“ (2016). Ausserdem hat Ina Hullmann journalistische Weiterbildungen, Stimm- und Sprechtraining an der Akademie für Publizistik Hamburg und der freien Journalistenschule Berlin absolviert.


Mit Ina Hullmann

Mit Monika Lanz

Die nächsten Startmöglichkeiten

https://www.heilpraktikerschule.ch/newsroom/news-detail/news/2016/11/11/das-leben-in-die-hand-nehmen/