«Kuhmilch wirkt nährend, befeuchtend und entspannend»
Luzern, 4. April 2014 – Man hört sehr oft, dass Milch «nicht so gut sei». Aber was heisst das? Und stimmt das überhaupt? Peter von Blarer, Mitglied der Schulleitung der Heilpraktikerschule Luzern und Mitinhaber, gibt Antwort.
Kuhmilch kann Symptome von Feuchtigkeit verstärken, so Peter von Blarer von der Heilpraktikerschule Luzern.
Peter, Milch soll gemäss chinesischer Medizin TCM gar nicht so gesund sein. Stimmt das?
Nun, Kuhmilch ist gemäss TCM süss, und so hat sie eine nährende, befeuchtende und entspannende Wirkung. In ihrer Gesamtwirkung sind Milch, Butter, Käse und Yoghurt bestens geeignet, das Yin zu tonisieren, also einen Yin-Mangel auszugleichen, z.B. bei Trockenheit von Haut und Schleimhäuten oder bei Schlafstörungen, Gewichtsverlust oder Verstopfung mit trockenem Stuhl. Milch tonisiert das Yin – das Ruhige, die Substanz –, und sie befeuchtet.
Das hört sich aber gut an?
Ja, aber oft ist es so: Wenn du nicht nur an einem Yin-Mangel leidest, sondern auch an zuviel Feuchtigkeit, dann wird Kuhmilch deine Symptome mit grösster Wahrscheinlichkeit verschlimmern, mit der Zeit sogar massiv.
Was für Symptome sind das?
Wenn du zu viel Feuchtigkeit hast, äussert sich das in übermässiger Schleimproduktion, z.B. in Lunge und Atemtrakt. Auch Durchfall und Pilzerkrankungen lassen sich in den meisten Fällen auf Feuchtigkeit zurückführen. Sogar gewisse Formen von Übergewicht und insbesondere Cellulite sind Feuchtigkeitserkrankungen.
Das heisst, ich werde dick oder bekomme Cellulitis, weil ich zu viel Feuchtigkeit aufnehme?
Ja, das ist sehr gut möglich, gerade in unserer Küche. Wir haben sehr viel Yin im Spiel, z.B. Teigwaren und Brot – und wenn du noch mehr Yin dazu gibst, wird halt alles noch schlimmer.
In unserer Kultur?
Natürlich muss eine Diagnose individuell sein, bezogen auf eine ganz bestimmte Person, ihre ganz persönliche Konstitution und die Umstände, in der sie lebt. Aber wenn ich zu Milch etwas Allgemeines sagen müsste, dann das: In der Schweiz haben wir die Tendenz zu einem übermässigen Konsum von Milchprodukten, und Feuchtigkeitserkrankungen sind stark verbreitet. Das hat auch mit dem relativ feuchten Klima zu tun, das die Wälder schön grün und die Wiesen saftig macht.
Wenn du jemandem zu weniger Milch rätst, wie ist dann garantiert, dass diese Person genügend Calcium erhält?
Ja, die Calcium-Frage: Wie sollte ich meine Knochen stärken, wenn nicht mit Calcium aus der Milch? Dazu eine andere Frage: Warum ist in den Milchländern Osteoporose so häufig? Und warum kommt in den Nicht-Milchländern wie Japan und China Osteoporose kaum vor? Anscheinend gibt es eine ebenso gute, vielleicht sogar bessere Calcium-Quelle. Deshalb mein Tip: Sesam und Hülsenfrüchte auf den Speiseplan. Und viel Bewegung, das belastet und stärkt dadurch die Knochen.
Hast du einige kleine Kuhmilch-Ersatz-Tipps?
Statt Butter nimmst du zum Kochen Kokosfett oder Olivenöl, statt Rahm Mandelmus und auf’s Butterbrot streichst du Sesammus. Probier Sojamilch, die schmeckt besser, als du denkst. Und was du vielleicht nicht weisst: Sojamilch lässt sich extrem gut schäumen. Wenn du gerne einen Capuccino trinkst: bitte sehr.
Danke, Peter, für das Gespräch.
Hintergründe bieten die Datenbank «Therapeutika», die Peter von Blarer erstellt hat, sowie das «Praxisbuch Nahrungsmittel und Chinesische Medizin» von Ulrike von Blarer Zalokar, Barbara Fendrich, Karin Haas, Petra Kamb, Eve Rüegg:
- Therapeutika: Milch
- Praxisbuch Nahrungsmittel und Chinesische Medizin
- Modul Kochen Basis
- Kurzausbildung Ernährungsberatung nach den 5 Elementen
- Fachausbildung Ernährungscoach
- Fachausbildung Diätetik West-TCM
Was ist ein Yin-Mangel?
Ein Yin-Mangel kann durch Überarbeitung und Nachtarbeit, schwache Konstitution oder eine chronische Erkrankung, durch starken Blutverlust, schlechte Ernährung, psychische Dauerbelastung und nach langen fiebrigen Erkrankungen entstehen. Er kann sich in den TCM-Funktionskreisen Herz, Lunge, Leber, Magen und Niere manifestieren.
Mögliche westliche Indikationen bei...
...Herz-Yin-Mangel:
Palpitationen, Herzrhythmusstörungen, Herzjagen, Durchschlafstörung und Einschlafstörung, Reizbarkeit, Nervosität, Panikattacken, geistige Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, regelmässige Wallungen, nächtliches Schwitzen
...Lungen-Yin-Mangel:
trockener Husten, Husten mit spärlichem Sputum, zäher Auswurf, Stimme schwach, heisser, rau, chronische Halsentzündung, trockener Mund, trockene Zunge
...Leber-Yin-Mangel:
trockene Augen, verschwommene Sicht, Benommenheit, Schwindel, Hypertonie, Migräneanfälligkeit
...Magen-Yin-Mangel:
Zahnfleischblutungen, Trockenheit von Mund und Rachen, Durst, Appetitlosigkeit, Übelkeit, trockenes Erbrechen, Völlegefühl nach dem Essen, Verstopfung, trockener Stuhl, Ulcus ventriculi
...Nieren-Yin-Mangel:
Schwindel, Vergesslichkeit, Tinnitus, klimakterische Beschwerden, Amenorrhö, Zwischenblutungen, Schwäche und Schmerzen im Lumbalbereich und in den Knien, Zahnschmerzen, Kieferschmerzen, Kopfschmerzen, Verstopfung, Obstipation, trockener Stuhl, Schlaflosigkeit, Osteoporose, Arthrose, Diabetes mellitus, Ergrauen der Haare