«Das ist auf der energetischen Ebene»

Ebikon, 2. September 2021 – Zur Diagnostik gibt es in der Medizin zum Beispiel Röntgengeräte. Im Shiatsu, da gibt es die Berührung. Dozentin Doris Mutter, hier im Interview, über Befundung im Shiatsu.

Foto von Shiatsu-Therapeutin und -Dozentin Doris Mutter, Heilpraktikerschule Luzern

Doris Mutter: Shiatsu würde tatsächlich auch ohne Worte funktionieren, sogar die Befundung, denn vieles ist auf der energetischen Ebene. Und doch: Was die begleitenden komplementärtherapeutischen Gespräche bringen, ist wunderbar ergänzend und wesentlich hilfreich. Doris Mutter ist dipl. Shiatsu-Therapeutin, KomplementärTherapeutin der OdA KT Methode Shiatsu und Shiatsu-Dozentin. Foto: Heilpraktikerschule Luzern

In der Medizin gibt es Röntgengeräte, Laboruntersuchungen et cetera. In deiner Shiatsu-Praxis – was gibt es da? Woher weisst du, was einer KlientIn fehlt?

Auch im Shiatsu gibt es einen Befund. Methodisch besteht er einerseits aus bestimmten Fragen, also der Anamnese, ähnlich wie in der Schulmedizin, und andererseits aus Shiatsu-spezifischen Befundmethoden. Ausserdem erhalte ich viele Informationen schon dann, wenn eine KlientIn anruft, am Telefon.

Da sagt die KlientIn schon, worum es ihr geht.

Ja, da frage ich nach dem Grund, warum sie kommen möchte, das sind zum Beispiel Schlaf- oder Menstruationsstörungen oder Migräne. Sehr oft melden sich auch Menschen mit psychischen Themen, oder wenn ihre Lebensumstände sie unglücklich machen. Weil Shiatsu energetische Arbeit ist, höre ich da auch darauf, wie die Stimmung am Telefon ist, wie die Stimme klingt. Beim ersten Termin gibt es dann ein Anamnese-Gespräch, da frage ich ziemlich detailliert.

Das sind Fragen danach, wie sich die Beschwerden anfühlen, wann sie auftreten, auch Fragen zur Krankheitsgeschichte?

Ja, das, aber auch zu sozialen und privaten Themen, so dass ich ein umfassendes Verständnis der KlientIn als Person habe. Wichtig ist da auch das, was zwischen den Worten schwebt, oder das, was nicht erzählt wird. Und ich höre auf Klang und Rhythmus der Stimme, auf Mimik, Haltung, Gestik. 

Und gibt es auch manuelle Befundmethoden?

Zum Beispiel befühle ich oft bestimmte Punkte, die sogenannten Shu- und Mu-Punkte, auf Deutsch die Zustimmungs- und Alarmpunkte, die auf die energetische Verfassung der Organe hinweisen. Meistens nehme ich auch noch eine Zungen- bzw. Pulsdiagnose nach Traditioneller Chinesischer Medizin vor. Und vor allem untersuche ich das Hara.

Die Hara-Diagnose ist die Shiatsu-spezifische Befundmethode. Wie funktioniert sie?

Hara ist japanisch und heisst Bauch. Man kann sich das so vorstellen, dass um den Bauchnabel herum alle Diagnosezonen der energetischen Funktionskreise, der Meridiane, angeordnet sind. Für einen Hara-Befund befühle ich mit meinen Fingerspitzen diese Diagnosezonen, dabei achte ich auf Kyo und Jitsu, auf Deutsch Leere oder Fülle von Energie.

Und nach dem Befund?

Da geht es darum, die Energien in den entsprechenden Meridianen auszugleichen, also die Leere eher zu füllen, die Fülle eher zu leeren.

Du hast vorher von Sozialem und Privatem gesprochen, der KlientIn als Person. Merkst du so etwas auch am Hara?

Die Diagnosezonen des Hara lassen sich nicht nur zu Fülle und Leere abfragen. Sie geben auch Auskunft über die Kernfunktionen der jeweiligen Organe bzw. Funktionskreise. So sind die Kernfunktionen zum Beispiel des Funktionskreises Lunge Zuversicht und Vertrauen. 

Das heisst, du kannst aus dem Hara erfahren, wie deine KlientIn mit Zuversicht und Vertrauen umgeht? 

Richtig. Dazu nehme ich ganz sanft Kontakt mit der Diagnosezone auf, die KlientIn spürt nur die leichte Berührung, die Information ist auf der energetischen Ebene. Diese Information ist wiederum nur eine von vielen, die ich laufend erhalte. Sie kann jedoch der Schlüssel für den Entscheid sein, dass ich dann mit dem Meridian der Lunge arbeite. Falls ich es für wichtig oder hilfreich für den Therapieerfolg erachte, thematisiere ich dieses Thema dann auch. Sehr achtsam, denn vielleicht ist die KlientIn sich dessen gar nicht bewusst, dass es ihr oftmals im Leben an Zuversicht oder Vertrauen mangelt. Diese Achtsamkeit ist im Shiatsu sehr wichtig, das üben wir im Unterricht, auch im Rahmen der Komplementärtherapie: wann wir sprechen, wie wir sprechen. In diesem Rahmen lernen Shiatsu-TherapeutInnen auch Gesprächsführungstechniken, viel Psychologisches. Und sie lernen auch, wann es angebracht bzw. notwendig ist, jemanden an eine PsychologIn oder ÄrztIn zu überweisen.

Heisst das auch, dass Shiatsu komplett ohne Worte auskommen könnte?

Ja, Shiatsu ist Kommunikation auf der energetischen Ebene. Das gesprochene Wort kann, muss jedoch nicht wichtig sein. Shiatsu geht ohne Worte, und viele KlientInnen schätzen gerade das. 

Wie wichtig ist Erfahrung im Shiatsu?

Ich denke, das ist wie in jedem Beruf. Das Wissen wächst mit der Erfahrung.

Schaust du auch, ob gewisse Medikamente, die deine KlientIn nimmt, ihre Beschwerden verursachen könnten? Als Nebenwirkung?

Nebst physischen Themen haben meine KlientInnen oft auch psychische Themen, einige nehmen Psychopharmaka. Das ist wichtig zu wissen. Mit psychischen Erkrankungen verlieren Menschen oft den Kontakt zu ihrem eigenen Körper. Die Berührung hilft, ihn wieder zu spüren. Berührungen sind deswegen unglaublich hilfreich und wohltuend.

Wie lautet ein beispielhafter Befund?

Eine Klientin leidet unter Rückenschmerzen und Schlafstörungen. Ihre Geschichte zeigt, dass ihr Urvertrauen extrem erschüttert wurde, es geht um eine Existenzgefährdung durch Drittverschuldungen. Da sind Schock und Wut. Dadurch ist ihre Blasenenergie, ihr Rücken wie eingefroren. Also habe ich ihren Blasenmeridian, den Du Mai und den Seiki Sei Sen behandelt, alle mit dem Therapieprinzip, zunächst die Schockstarre aufzulösen. Der Schlaf wurde besser, die Spannung im Rücken löste sich. Jetzt, nachdem nun die Schockstarre aufgelöst war, konnte ich über den Lebermeridian mit dem unterdrückten Zorn arbeiten. Die Kernfunktion der Leber, energetisch gesehen, ist der Umgang mit der Wut. 

Die Befundung, habe ich gehört, geht während des Shiatsu-Gebens weiter: Du berührst therapeutisch eine Körperstelle, erfährst dabei aber auch etwas, nämlich etwas Diagnostisches.

Das ist so. Es fühlt sich so an, als würde ich im Lebensbuch dieses Menschen lesen.

Du hörst dich glücklich an.

Ja, das ist so. Mein Beruf ist meine Berufung.



Doris Mutter, dipl. Shiatsu-Therapeutin, KomplementärTherapeutin der OdA KT Methode Shiatsu, Dozentin bei uns an der Heilpraktikerschule Luzern; ihre Shiatsu-Praxis führt sie in Hochdorf: www.shiatsu-doris-mutter.com

Wer ins Shiatsu möchte: Shiatsu-TherapeutInnen finden Sie auf der Website der Shiatsu-Gesellschaft Schweiz: www.shiatsuverband.ch

 

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