Fette und Öle

Ebikon, 19. Juli 2022 – Gesättigt, ungesättigt. Und eine Art Jungbrunnen: Dr. med. Fritz Grossenbacher über Kohlenstoff-Atome, Elastizität von Zellmembranen, Omega 3, 6 und 9. Und warum er manchmal eine richtig fette Wurst isst.

Foto von Oliven, kalt gepresst ergeben sie ein gesundes und feines Öl, Bild: Pixabay

Fast alles drin: Olivenöl, eines der gesündesten Öle. Und ist, so scheint es, sogar ein bisschen ein Jungbrunnen, dank Oleocanthal, exklusiv in Olivenöl enthalten. Bild: Pixabay

Fritz, was passiert, wenn ich überhaupt kein Fett und kein Öl mehr zu mir nehmen würde?

Naja, Öle und Fette sind lebensnotwendig.

Inwiefern?

Zum Beispiel würde dein Körper keine fettlöslichen Vitamine mehr aufnehmen: Die Vitamine A, D, E, K, die würden dir fehlen. Auch Hormone würden dir fehlen. Ausserdem: Dein Körper produziert ja laufend neue Zellen. Nun ist jede Zelle von einer Zellmembran umgeben, die aus einer Doppelfettschicht besteht. Es braucht Fett bzw. Öl. Öle sind ja Fette, die bei Raumtemperatur flüssig sind.

Also sollte man ja sagen zu Butter, Schweineschmalz, Sonnenblumenöl, Rapsöl, Olivenöl und so weiter. Was sind eigentlich ungesättigte Öle – und warum sind die so empfehlenswert?

Ungesättigt bedeutet, dass zwischen den Kohlenstoff-Atomen der Fette Doppelbindungen vorkommen. Das macht ungesättigte Fettsäuren geschmeidiger als gesättigte. Das ist wichtig für die Elastizität der Zellmembranen. Es gibt auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die haben mehrere Doppelbindungen. Zum Beispiel sind das Omega-3-Fettsäuren, die müssen wir zwingend mit der Nahrung aufnehmen, weil sie unser Körper nicht selbst herstellen kann.

Haben ungesättigte Fettsäuren nicht auch etwas mit Cholesterin zu tun?

Ja. Sie wirken der Ablagerung von Cholesterin in den Blutgefässen entgegen, sind gut für Herz und Kreislauf. Zudem weisen sie entzündungshemmende Eigenschaften auf.

Eine verrückte Frage... ich habe irgendwo gelesen, dass Öle auch verjüngen. Als eine Art Jungbrunnen. Das kann nicht sein?

Du spielst auf Rapamycin an. Dieser Stoff kommt aber in Öl nicht vor. Allerdings hat man in Olivenöl einen Stoff namens Oleocanthal entdeckt, der ähnlich wie Rapamycin auf mTor wirkt. Daher hast du wohl in Zusammenhang mit Olivenöl von möglichen verjüngenden Wirkungen gelesen.

Ja, das kann sein. Das Rapamycin interessiert mich jetzt dennoch. Kannst du das etwas ausführen?

Rapamycin ist ein natürlich vorkommender Stoff, der von gewissen Bakterien produziert wird. Er heisst so, weil er auf der Osterinsel Rapa Nui entdeckt wurde. Nun, das Besondere daran ist: Rapamycin hemmt einen Mechanismus, der wichtig für die Steuerung von Wachstum und Vermehrung von Zellen ist. Und ist dieser Mechanismus gehemmt, gehen die Zellen in eine Art «Verjüngsprozess», sie altern offenbar weniger schnell.

Tatsächlich also eine Verjüngung.

Ja. Dieser Effekt wurde zuerst an Mäusen beobachtet, wo die Lebenserwartung um 25% gesteigert werden konnte. Dann wurde das auch in Studien bei Hunden beobachtet. Daher hat Rapamycin den Anstrich eines «Jungbrunnens» erhalten. Ob bei Menschen dieser Effekt auch beobachtet werden kann, ist allerdings noch eine offene Frage.

Wie heisst dieser Mechanismus, der von Rapamycin gehemmt wird?

Das ist ein etwas seltsamer Name, eine Abkürzung: mTor. Sie hat direkt mit Rapamycin zu tun. Sie bedeutet «mechanistic bzw. mammalian target of rapamycin», also mechanistisches Ziel von Rapamycin. Oder, mit «mammalian»: Ziel von Rapamycin in Säugetieren.

Wird Rapamycin genutzt?

Ja, es hemmt mTor insbesondere in Immunzellen. Deshalb wurde und wird es bei Transplantationen oder bei gewissen Krebserkrankungen als Immunsuppressivum eingesetzt. Das Ziel ist, Abstossungsreaktionen zu verhindern.

Dann sollte ich Rapamycin wohl nicht zu mir nehmen. Aber Olivenöl?

Ja, Rapamycin ist ein Medikament, das gezielt als Immunsuppresivum eingesetzt wird. Ich rate dringend davon ab, Rapamycin ohne ärztliche Verschreibung einzunehmen.

Und das Rapamycin-ähnliche im Olivenöl?

Oleocanthal kannst du nehmen. Studien im Labor deuten darauf hin, dass Oleocanthal mTor hemmt und dadurch auch entzündungshemmende Wirkungen aufweist. Es kommt, so scheint es, tatsächlich ausschliesslich in Olivenöl vor, doch Olivenöl ist ja immer gut, nimm extra vergine, kalt gepresstes.

Es gibt besonders wichtige ungesättigte Öle: Omega 3, 6, 9 – braucht man die alle?

Ja. Diese Fettsäuren werden für verschiedene Funktionen im Körper benötigt. Omega 3 und Omega 6 als mehrfach ungesättigte Fettsäuren kann unser Körper nicht selbst herstellen. Die einfach ungesättigte Omega 9 Fettsäure hingegen schon.

Omega 3, woher bekomme ich das?

Das kommt vor allem in Leinöl, Walnussöl, in Nüssen und in Fischprodukten vor. Es erweitert die Blutgefässe und hemmt die Blutgerinnung und kann so vorbeugend auf Herz- und Kreislauferkrankungen wirken, hilft mit gegen Gefässverschluss.

Omega 6?

Ist unter anderem in Sonnenblumenöl und tierischen Fetten. Es hat eine gefässverengende Wirkung und fördert die Blutgerinnung, ist somit eine Art Gegenspieler zu Omega 3, und hilft bei der Wundheilung.

Omega 9?

Das hat einen günstigen Einfluss auf den Cholesterinstoffwechsel und unterstützt die Nervenfunktion. Omega 9 kommt vor allem in Olivenöl und in Rapsöl vor.

Fett ist also nicht unbedingt ungesund.

Ja, im Gegenteil: Der Körper benötigt eine ausgewogene Mischung von gesättigten, einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fetten. Das Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3 sollte höchstens fünf zu eins betragen. Die Gleichung Fett  = Ungesund ist also überhaupt nicht zutreffend, weil Fett nicht gleich Fett ist. Wie bei den allermeisten Nahrungsmitteln ist die richtige Menge und die ausgewogene Zusammensetzung entscheidend, ob es gesund oder ungesund für unseren Körper ist.

Wie viel Fett soll ich zu mir nehmen?

Für Erwachsene lautet die Empfehlung, etwa 30% des täglichen Energiebedarfs in Form von Fetten abzudecken. Bei der Zusammensetzung der Fette gilt die Ein-Drittel-Regel: maximal ein Drittel der Gesamtzufuhr in Form von gesättigten Fettsäuren, maximal ein Drittel in Form von mehrfach ungesättigten Fettsäuren und mindestens ein Drittel in Form von einfach ungesättigten Fettsäuren.

Welches ist dein Lieblingsöl und warum?

Wir haben es bereits erwähnt: kaltgepresstes Olivenöl. Erstens, weil mir dieses als Zutat zu Salaten oder Tapas wunderbar schmeckt und zweitens, weil es einen guten Mix von gesunden und lebensnotwendigen ungesättigten und gesättigten Fettsäuren darstellt.

Und welches, würdest du sagen, ist das gesündeste? Warum?

Allgemein gilt Leinöl als das Öl mit dem gesündesten Fettsäureprofil. Allerdings hat es einen grossen Nachteil: Es darf nicht erhitzt werden. Zu den gesündesten Ölen sowohl für kalte wie für warme Speisen gehört das Olivenöl.

Was isst du trotz schlechtem Fett oder Öl? Und kompensierst du das? Wie?

Ich esse alles, was mir herrlich schmeckt. Auch wenn es nicht als wirklich gesund gilt, wie Speck oder eine richtig fette Wurst. Solange solche Dinge nicht zu häufig auf dem Teller landen und der Speiseplan allgemein ausgewogen ist, braucht es auch gar keine speziellen Kompensationsmassnahmen.

Was heisst ausgewogen?

Na, genügend Gemüse, Obst, Nüsse, Hülsenfrüchte, Getreide und Fisch.

Es ist Mittag. Danke, Fritz, für das Gespräch.

Gern, en guete, Martin.

Foto von Dr. med. Fritz Grossenbacher, WestMed-Dozent an der Heilpraktikerschule Luzern, Foto: zVg

Dr. med. Fritz Grossenbacher ist Arzt, MME (Master of Medical Education) und Fachreferent, er führt eine eigene Firma zur Beratung und Informationsvermittlung in Sachen Gesundheit und eHealth und unterrichtet WestMedizin an der Heilpraktikerschule Luzern.

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